Überzeugen statt überreden

Wer Vertriebs- und Beratungsprozesse aus Kundensicht gestaltet, macht aus Verkäufern Berater. Und das ist für alle Seiten gut.

Überzeugen statt überreden

Der Vertrieb in manchen Branchen hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Seit fünf Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, ein Haus zu kaufen. Ich habe mit meiner Frau Dutzende Wohnungen und Häuser angeschaut, bin sicher schon fünfmal bei Banken und Hypothekenbrokern gewesen, habe meine Suchabonnements auf Comparis und Homegate und habe mich auch schon bei meiner Pensionskasse informiert. Bisher hat nichts gepasst. Es ist ein langer Prozess. Mal sind wir mehr, mal weniger engagiert – momentan ist das Thema gar nicht mehr so zentral in unserem Leben. Das allerdings gibt uns Gelegenheit, das Verhalten der Kundenberater, Broker und Versicherungsagenten distanziert zu betrachten. Sie vermitteln immer den Eindruck, als hätten sie den Deal meines Lebens für mich. Vergebene Anstrengung! Ich kauf ja noch nicht.

Spontane Hauskäufe sind selten

Schon 1910 hat sich Herr Dewey [1] diesen Umstand angeschaut und ein Modell für Entscheidungsprozesse erarbeitet. In den 60er Jahren haben dann die Herren Engel und Blackwell [2] die Stufen beschrieben. (Und seither noch ganz viele andere.) Auch wenn wir von Stimmt Kunden befragen, tauchen fünf Phasen immer wieder auf:

Entscheidungsprozess

Gerade bei komplexeren Produkten werden diese Stufen bewusst durchlaufen. Das braucht seine Zeit. Die Dauer und Gründlichkeit, in denen Menschen diesen Prozess absolvieren, hängt zum einen vom Wissen und der Vertrautheit mit dem Thema ab: Eine Daytraderin kauft sich schneller mal eine Put-Option als jemand, der sich das erste Mal mit den Börsen auseinandersetzt. Zum anderen ist es die Einstellung zu Entscheidungen generell: Jemand, der gerne Kontrolle besitzt, verhält sich anders als jemand der Beziehung und Vertrauen schätzt. Will ein Unternehmen das in seine Angebotsgestaltung einbeziehen, helfen Personas, Kunden besser zu beschreiben.

Und plötzlich geht’s um mehr als Libor-Zinssätze

Als Anbieter kann man sich in fast allen dieser Phasen einklinken. Klar ist: Je früher jemand das Vertrauen des Kunden gewinnt und je länger er ihm zur Seite steht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei diesem Anbieter gekauft wird. Der Kunde begibt sich auf ein neues Terrain, erwirbt neue Kompetenzen, durchläuft neue Prozesse, wählt neue Partner. Für das Unternehmen lohnt es sich deshalb, den Kaufvorgang wirklich zu verstehen, bevor es teure Systeme kauft, strategische Allianzen eingeht oder interne Strukturen aufbaut.

In den letzten 19 Jahren haben wir immer wieder die Kaufprozesse aus Kundensicht analysiert und dann auch neu konzipiert. Von Lebensversicherungen für Paare zu Server Angeboten für KMUs, vom Entscheid zur Augenlaseroperation zum Bau eines neuen Rückversicherungsprodukts zeigt sich immer wieder: Customer Journeys [3] und Personas machen aus Produktverkäufern  “Trusted Advisors”. Leider genügt das noch nicht. Denn zu glauben, jetzt wisse man, wie’s geht, führt meist zu teuren Fehlentscheidungen. Kaufprozesse können und sollen auch als Prototypen umgesetzt werden – gerade wenn sie in der heutigen Welt über mehrere Kanäle (Multichannel) mit einer Vielzahl von Touchpoints ablaufen.

 

Eine Vielfalt von Prototypen eignen sich zum Testen von Prozessen.

Erst danach geht’s in die Umsetzung. “Der erste Kunde ist der Vertrieb”, erklärte Manja Liebrenz der Ergo Versicherung bereits am Customer Experience Forum 2012 [5]. Das heisst: Die Ausbildung und Schulung oder auch die organisatorischen Änderungen in einer Unternehmung sind oft wichtiger für den Erfolg als das tollste Tool. Für eine Bank haben wir uns zum Beispiel einmal bei einem Beratungstool gegen das Tablet und für einen Kartonschieber entschieden. Mit Erfolg: 50% aller Berater haben in wenigen Monaten das Hilfsmittel akzeptiert und angewandt.

Dieses kundenzentrierte Vorgehen bringt etwas. Aus Stimmt Projekten wissen wir: Ergo hat damit über 100 Mio Neuprämien geschrieben, Helsana liegt bei Online Sales weit über den Erwartungen, Vodafone konnte die Retentionrate verfünffachen, und bei der ZKB sind Kunden bereit für Beratung zu zahlen, weil sie ihnen wirklich weiterhilft.

Die Moral der Geschicht’: Vergesse deine Kunden nicht

Die fünf Tipps für erfolgreiche Vertriebs- und Beratungsprozesse entlang der Journey:

  1. Latente Bedürfnisse, nicht Produkte bewerben –  also nicht die Hypothek, sondern die Möglichkeit, in den eigenen vier Wänden zu wohnen
  2. Checklisten statt Fact-Sheets – also keine Hypothekenproduktpalette, sondern Tipps, worauf ich beim Eigenheimerwerb achten muss
  3. Grobangebote statt Detailofferten – Also keine komplexen Rechen-Aufgaben, sondern ungefähre Angaben
  4. Hürdenloser Kaufprozess – also ein schnörkelloser Prozess, keine wochenlange due-diligence
  5. Bestätigung der richtigen Wahl – also eine Begleitung bis zum Einzug, nicht nur ein Händedruck bei der Unterschrift

Sie wollen Ihre Vertriebs- und Beratungsprozesse besser machen?

Wir sind nur einen Klick entfernt.

 

[1] Dewey, J. (1910): How we think; D.C. Heath & Co., New York
[2] Engel, J.F. et al (1968): Consumer Behavior; Holt, Rinehart and Winston, Inc., New York
[3] Oberholzer, G. , Eichholzer, A. (2016): Customer Journeys: Kunden verstehen und mit phänomenalen Customer Journeys übersättigte Märkte erobern, ePubli, Berlin
[5] http://www.slideshare.net/CX-Forum/cxforum-magazin-7

Ihr Ansprechpartner für Fragen und weitere Informationen:

Glenn Oberholzer
glenn.oberholzer@stimmt.ch
+41 76 585 75 39