Über Beziehungen und Digitalisierung im Rückversicherungsgeschäft
Rückversicherer haben meist Erstversicherer als Kunden und Broker als Ansprechpartner. Jeder kennt jeden und alle sind Experten. Entsprechend relevant sind die persönlichen Beziehungen (dazu mehr auf stimmt.ch/b2b-cx-versicherungen). Die Interaktionen im B2B Kontext müssen allerdings auch sehr effizient sein. Die Konsequenz: Die Rückversicherungsbranche digitalisiert deshalb im Front-End wie im Back-End
Darüber, wie Digitalisierung und Kundenbeziehungen zusammengehen, habe ich mit Evangelos Avramakis, Head Digital Ecosystems R&D von Swiss Re, gesprochen:
Glenn: Evangelos, du bist seit mehreren Jahren beim Rückversicherer Swiss Re verantwortlich für das digitale Ökosystem und derer Digitalisierung von Versicherungen. Welche Rolle spielen dabei die digitalen Kanäle? Stimmt vertritt ja die These, dass persönliche Beziehungen im B2B äusserst zentral sind.
Evangelos: Jede Beziehung hat mit Menschen zu tun. Immer. Egal, ob sie über digitale oder nicht-digitale Kanäle entwickelt wird. Auch bei Plattformen oder Ökosystemen werden am Ende Konsumenten oder Unternehmen – also Menschen – bedient. Bei digitalen Ökosystemen gewinnen funktionale Aspekte wie Effizienz oder Effektivität zusätzlich Relevanz. Es geht darum, Interaktionen und Dienstleistungen sowohl produktiv, ressourcenschonend als auch nachhaltig zu erbringen. Die Touchpoints sind hier vorwiegend digitaler Natur.
Glenn: Sind denn nicht genau diese Basic-Touchpoints Möglichkeiten, die Kundenbeziehung zu intensivieren? Wie begegnest du der Angst, dass die Kundenbeziehung durch Digitalisierung geschwächt wird?
Evangelos: Die Frage ist stets, wofür einzelne Touchpoints stehen und für welche Funktionen sie besonders prädestiniert sind. Digitale Schnittstellen sind hocheffizient, wenn repetitive und einfache Aufgaben zu bewältigen sind – genauso haben empathische Fertigkeiten von Kundenbetreuern ihre Daseinsberechtigung, nämlich: unkompliziert Probleme zu erkennen und diese zu lösen. Dank der Digitalisierung bleibt mehr Zeit für die «menschliche» Beziehungspflege. Die Beziehung wird also wertschöpfender, wenn Dienstleistungen mithilfe menschlicher und maschineller Intelligenz erbracht werden – sie vereint sozusagen «the best of both worlds».
Glenn: «Mehr Zeit für menschliche Beziehungspflege» – wie überzeugst du dein Management davon, die gewonnene Zeit nicht einfach in einen niedrigeren Headcount zu investieren?
Evangelos: Es geht darum, Ressourcen dort einzusetzen, wo sie wertschöpfend und effektiv sind. Das ist ökonomisch per se nicht falsch. Höhere Effizienz anzustreben, bedeutet unter anderem auch wettbewerbsfähig zu bleiben. Insofern stellen Effizienzmassnahmen die Regel dar. Andererseits werden aber durch Innovation neue Stellen und interessante Funktionen geschaffen. Nämlich dort, wo Wachstumsfelder entstehen oder Beziehungen weiter gefördert werden sollen. Wir haben ein Management, das die Langfristigkeit unserer Kundenbeziehungen versteht und diese sehr wertschätzt und pflegt. Die Reputation und Makrtstellung des Unternehmens spiegelt das wider. Das ist im B2B-Umfeld von zentraler Bedeutung.
Glenn: Du hast über elf Jahre Erfahrung in der Erstversicherungs- und Rückversicherungsbranche. Welche drei Tipps würdest du einer Versicherung geben, wenn es darum geht, die Kundenbeziehung im B2B auch digital zu stärken?
Methodisch unterscheidet sind die B2B-Sichtweise lediglich im Kontext. Es geht um Unternehmen, welche in einem Wettbewerbsumfeld der jeweiligen Industrien stehen.
Tipp 1:
Kundensicht einnehmen – daran ändert sich auch im B2B nichts. Der Kontext hingegen, in welcher die Kundenbeziehung Mehrwerte schafft, ist ein anderer – und meist viel komplexer im B2B-Umfeld. Man muss das Umfeld der Unternehmen, die Branche, involvierte Parteien und Partner oder auch Versicherung viel besser verstehen, um abschätzen zu können, wo hocheffiziente, digitale Schnittstellen Sinn machen und wo menschliche Interaktionen wertvoll sind.Tipp 2:
Das Kundenerlebnis gestalten – auch im B2B-Umfeld.Nur sollten wir hier von «Unternehmens-Erlebnis» sprechen und die treibenden Faktoren besser verstehen. Es sind, wie ich vorher erwähnt habe, eher funktionale Elemente, welche von grösserer Bedeutung sind. Es gilt also zu verstehen, an welchen Touchpoints Menschen und an welchen Maschinen die «Unternehmens-Erlebnisse» maximieren können.Tipp 3:
Geduld und Ausdauer – vereint mit einer «Keep cool»-Einstellung.Aufgrund des komplexen Umfeldes, in welchem sich die Unternehmen befinden, und der Vielzahl an über die gesamte Wertschöpfung involvierter Parteien, stellt die «Orchestrierung» und Abstimmung eine grosse Herausforderung dar. Bis alle Beteiligten abgeholt und «synchronisiert» sind, braucht es wesentlich länger als im B2C-Umfeld. Das Schaffen von Standards, Schnittstellen und Mindsets benötigt mehr Zeit. Wenn der Rahmen dann aber sauber aufgesetzt ist, ist der Mehrwert für alle beteiligten Parteien im Netzwerk enorm. Insofern lohnt sich die Arbeit!