Verstehen, was Kunden brauchen Teil 2/4
Teil 2 unserer Serie zur Differenzierungsstrategie im B2B: Sind Qualität und Preis gegeben, stellt die Customer Experience einen grossen Teil des Wertes eines Angebots dar. B2B-Unternehmen zielen damit auf langfristige Geschäftsbeziehungen ab.
Im ersten Schritt müssen wir nun verstehen, was Kunden brauchen.
Hier treffen wir auf einen wichtigen Unterschied in der Art, wie kundenorientierte Unternehmen über Kunden nachdenken: Sie fragen weniger, was Kunden wollen, sondern fokussieren sich stark darauf, was Kunden brauchen. In vielen Industrie-Projekten von Stimmt war das ein drastischer Unterschied. Fragen wir die Kunden unserer Industrie-Klienten was sie wollen, hören wir oft:«Ihr müsst einfach mit euren Preisen runter. Wenn wir jedoch beobachten, wie Kunden arbeiten und was ihnen fehlt, können wir unseren Klienten oft vertiefte Erkenntnisse an die Hand geben. Die Aussage «Wichtig ist nicht, ob eure Pakete um 7 oder 8 Uhr auf der Baustelle sind, sondern dass meine Leute dann mit dem Material aus euren Paketen loslegen können, wenn sie das eingeplant haben.» läuft darauf hinaus, dass der Preis eine untergeordnete Rolle spielt im Vergleich zu den Opportunitätskosten der Monteure auf der Baustelle. Wie viele Kunden gibt es bei unserem Klienten, die so ticken? Wie viel sind diese bereit zu bezahlen, wenn wir garantieren, dass sie nie mehr zu spät auf einer Baustelle loslegen müssen? Um diese Fragen zu klären, müssen wir segmentieren.
In vielen B2B-Projekten werden wir mit Zurückhaltung konfrontiert, wenn wir zu Beginn dafür appellieren, dass man den bestehenden Kundenstamm segmentiert und ab diesem Zeitpunkt nicht (mehr) alle Kunden gleich behandeln darf.
Entweder sind die Klienten zurückhaltend, weil sie sagen: «Wir behandeln jeden Kunden einzigartig – das ist ja logisch. Segmentieren bedeutet für uns einen Rückschritt!». Das ist richtig, falls ein Unternehmen segmentiert, jedem Kunden ein Etikett anheftet und jeder im Unternehmen kontrolliert, dass der Kunde auch wirklich nur noch so behandelt wird, wie es für Kunden mit diesem Etikett vorgesehen ist. In allen anderen Fällen ist Segmentierung ein Fortschritt: Ein Industrie-Unternehmen kann Kunden systematisch differenziert ansprechen und behandeln und muss das nicht für jeden Kunden einzeln tun. Wir sehen in unseren Projekten immer wieder: Eine gut umgesetzte Segmentierung reduziert Kosten und erhöht die Kundenzufriedenheit.
Oder die Klienten sind zurückhaltend, weil sie sagen: «Natürlich behandeln wir alle Kunden gleich – alles andere ist ineffizient und unökonomisch!». Das funktioniert aber nur für Unternehmen mit gleichartiger Zielgruppe. Denn wenn alle dasselbe Bedürfnis haben, kann man das bei allen auch ähnlich adressieren. In allen anderen Fällen vergibt ein Unternehmen die Chance für mehr Marge bei höherer Kundenzufriedenheit.
Bei einem kundenorientierten Unternehmen geht es in der Segmentierung nicht mehr darum am Jahresende festzustellen wer wie viel bestellt hat und daraufhin den Kundenstamm neu aufzuteilen. Es geht darum, dass wir verstehen, warum Kunden beim Unternehmen kaufen und was diese bei ihm hält.
Das abgebildete Beispiel aus einem anonymisierten Stimmt-Projekt zeigt diesen Unterschied in der Segmentierung sehr gut auf. Der Sales Force dieses Industrie-Klienten sagen wir nicht «Jagt mehr B-Kunden und macht diese zu A-Kunden». Wir sagen hingegen viel spezifischer und zielgerichteter: Marketing soll in Zukunft den«Marken»-Kunden mit Erfolgsgeschichten und neuen Fakten aufwarten. Damit wird die Marke positiv aufgeladen und «Marken»-Kunden stehen damit in ihren Unternehmen automatisch besser da. Währenddessen setzen Sales-Leute ihre Zeit viel besser für die «Beziehungs»-Kunden ein und schrauben bei den «Verfügbarkeits-» und «Spezialkonditionen»-Kunden runter. Letztere zwei kommen von alleine: entweder weil es das Produkt nirgendwo mehr gibt oder weil sie im Newsletter von der grosse Aktion in Produktkategorie X gelesen haben.
Wie findet man diese neue Segmentierung? Indem man in einem ersten Schritt für das Unternehmen typische Kunden befragt und beobachtet. In einem zweiten Schritt arbeitet man die Unterschiede zwischen ihnen heraus und teilt sie in Gruppen bezüglich dieser Unterschiede ein.
Bei Stimmt arbeiten wir vorwiegend mit qualitativen Forschungsmethoden – weil es um die Qualität der Kunden geht (im eigentlichen Wortsinn aus dem lateinischen «qualitas» für «Beschaffenheit, Eigenschaft»).
Sobald man mit qualitativen Methoden das Was und Wie des Kundenstamms verstanden und entsprechende Segmente gebildet hat, muss man durchzählen, um zu verstehen, wo es sich lohnt zu investieren. In obiger Abbildung sind nur 2% der Kunden unseres Industrie-Klienten von Verfügbarkeit getrieben. Ihre Durchschnittsbestellung ist fast zwei Drittel kleiner als bei den Kunden, die durch ihre Beziehung oder der starken Marke getrieben sind. Unser Klient wird vermutlich die «Beziehung»-Kundenbasis verstärken wollen, weil diese gleich viel bestellt wie die über 50% Top-Kunden, die auf die starke Marke setzen.
Wenn man die unterschiedlichen Kundentypen versteht, kann man sie auch in quantitativen Studien identifizieren. So kann man zum Beispiel herausfinden welche Angebotskomponenten für welche Kundentypen wichtig sind.
Im dargestellten Chart sieht man klar, was sich in vielen Stimmt-Projekten zeigt: Es gibt viele Basisfaktoren, die allen Kunden gleich wichtig sind (z.B. Lieferungen müssen pünktlich sein, Materialien müssen bestimmte physikalische Eigenschaften haben, …). Es gibt aber auch viele Begeisterungsfaktoren, die für die Kundengruppen unterschiedlich wichtig sind (in diesem Beispiel gibt es einen Faktor, der Kundengruppe 2 doppelt so wichtig ist wie Kundengruppe 1).