8 Tipps für erfolgreiches Prototyping
Seit mehr als acht Jahren bin ich in der User Experience (UX) / Customer Experience (CX) Beratung, und das Testen von Ideen und Innovationen gehört zu meinem Arbeitsalltag. Beim Testen können unterschiedliche Elemente einer Idee im Fokus stehen, z.B. das Design oder die Gebrauchsfähigkeit.
Im frühen Entwicklungsprozess von neuen digitalen oder auch physischen Angeboten / Services (Service Prototyping) sollte es aber immer erst darum gehen, den Prototyp selbst zu testen: Wird das Konzept dahinter überhaupt den funktionalen, emotionalen oder sozialen Bedürfnissen der Zielkunden gerecht? Löst das Projekt ein relevantes Problem für sie?
Um Feedback von verschiedenen Zielkunden oder Benutzer einzuholen, braucht es dann einen Konzept-Prototyp mit geringem Detaillevel («low fidelity Prototyp»).
Meine 8 Tipps für Konzept-Prototyping:
Tipp #1 – Signalisieren «Das ist noch nicht fertig»: Das macht man mit Skizzen oder einfachen Wireframes und so wenig Design wie möglich. Die Hürde offen zu kritisieren ist dadurch geringer. Sie signalisieren Testteilnehmer*innen: «Ich kann mitgestalten, dazu beitragen, dass es gut wird». Die Testteilnehmer*innen bewerten das Konzept und nicht das Design, weil klar ist, dass die Gestaltungsmittel, wie Farbe, Form oder Layout, nicht final sein können
Tipp #2 – Nur die Elemente erlebbar machen, die für die Idee zentral sind: Ein guter Prototyp hat gerade genug Eigenschaften, um die Grundidee des Angebots im Test zu transportieren. Das lässt Spielraum für Interpretation. Was wiederum zu neuen Ideen führt und Hinweise gibt auf Kundenbedürfnisse, Einstellungen oder Erwartungen.
Tipp #3 – Die Ideen in einen konkreten (Nutzer-) Kontext stellen: Erklären Sie den Testteilnehmer*innen in Form von Text (Szenario) oder einer Visualisierung (z.B. Comic), in welcher Situation oder bei welcher Herausforderung das Angebot zum Einsatz kommen soll.
Tipp #4 – Einen Probelauf durchführen: Suchen Sie sich eine unbeteiligte Person aus Ihrem Unternehmen oder Bekanntenkreis, um den Prozess durchzuspielen. So stellen Sie sicher, dass der Prototyp selbsterklärend ist. Das ist die Voraussetzung, damit es zu spontanen Reaktionen auf das Gezeigte kommt. Im Probelauf wird man schnell auch aufmerksam auf kleine Fehler wie z.B. Inkonsistenzen im Wording, die im Test verunsichern oder vom Wesentlichen ablenken können.
Tipp #5 – Vor dem Test erst ein kurzes Gespräch zum «Warmwerden» führen: Es ist hilfreich, Teilnehmende vor dem Test zu ihren bisherigen Erfahrungen und Einstellungen in Bezug auf das übergeordnete Thema / die Domäne zu befragen. So können sie sich gedanklich auf den Test-Kontext einstimmen. Ausserdem lässt sich die Bewertung im Test dann besser in einen Gesamtzusammenhang bringen.
Tipp #6 – Reaktionen abwarten und erzählen lassen: Der häufigste Fehler bei der Interviewführung beim Testing liegt darin das Gespräch zu dominieren. Geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit. Jeder hat sein eigenes Reaktionstempo. Erst wenn eine längere Pause entsteht, gezielt nachhaken und spezifische Fragen stellen. Rückfragen der Testperson direkt zurückspielen. Ein Beispiel: «Was würde da genau angeboten, wenn ich auf ‘Spezialangebot’ klicke?» «Was wäre denn Ihre Erwartung? Welches Spezialangebot wäre für Sie hilfreich?»
Tipp#7 – So viel digitalisieren wie möglich: Was zunächst unfertig aussehen soll, braucht man doch digital, spätestens wenn es um Usability geht. Axure hatte mal eine «Sketch Effects» Funktion, mit der es möglich war, ein Wireframe oder Mockup so aussehen zu lassen wie eine Skizze. Leider gibt es die nicht mehr und wohl auch keine andere Software, die das kann – falls doch, bin ich dankbar für Hinweise!
Eine Lösung kann eine Mischung aus software-basierten Wireframes und Foto sein.
Tipp#8 – Aufwand sparen und online testen: Es gibt genügend Möglichkeiten Tests online und interaktiv durchzuführen, entweder mit Videokonferenz oder in der Kombination Screensharing und Telefon. Dadurch sparen nicht nur Sie viel Zeit, es wird auch einfacher Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu rekrutieren, wenn der Test nur ein halbe Stunde Online-Präsenz bedeutet. Wo sich Aufwand lohnt, ist dagegen beim Screening und Rekrutieren der Zielgruppen, die Sie mit dem Angebot erreichen wollen. Hier hilft ein gutes CRM.
Fazit: Sie können sich und Ihrem Team Zeit und Geld sparen, wenn Sie Ihre Kunden frühzeitig in Ihre Entwicklungsprozesse einbeziehen und gemeinsam die neuen Dienstleistungen oder Produkte entwickeln. Hier gewinnen mal nicht Perfektion und Schönheit, sondern der Mut zur Unvollkommenheit 🙂