Potenzial entfesseln: Wie KI echtes Kundenwissen skaliert und den Hype überwindet

Kurz und knapp

Unternehmen schaffen wertvolle KI-Anwendungen nur, wenn sie die wahren Bedürfnisse ihrer Kunden tiefgehend verstehen. Dieser Beitrag demonstriert, wie Künstliche Intelligenz ihre volle Kraft entfaltet, wenn Unternehmen sie mit echtem Wissen füttern, etwa aus qualitativen Interviews oder Tagebuchstudien.

Drei Praxisbeispiele – darunter die bedürfnisbasierte Segmentierung durch die Analyse von Telefon-Transkripten und der Einsatz interner KI-Chatbots – zeigen, wie Firmen echtes Kundenwissen skalieren und so Hype in messbare Wertschöpfung verwandeln.

Inhalt

KI baut auf menschliches Verhalten

Künstliche Intelligenz ist spätestens seit ChatGPT, Gemini & Co. im Alltag vieler Personen präsent. Auch für uns bei Stimmt ist künstliche Intelligenz seit Jahren ein extrem leistungsstarker Motor, der seine volle Kraft dann entfaltet, wenn er mit dem richtigen Treibstoff versorgt wird – detailliertes und echtes Wissen über einzelne Kunden und Kundinnen.

Die Chance im betriebswirtschaftlichen Kontext liegt weniger in der vereinzelten Anwendung von KI, sondern in der strategischen Nutzung von relevantem und detailliertem Kundenwissen.

Kurz: Mit einer auf echten Kundendaten gestützten KI können wir bei Stimmt erfolgreich antizipieren, wo die grössten Hebel zum Ausbau der Kundenbeziehung liegen und welche Kundenmassnahmen einen messbaren Effekt auf den Kundenwert haben.

Effekte auf Werttreiber durch Kundenfokus in Projekten von Stimmt AG
Werttreiber und realistische Verbesserungen aus Stimmt Projekten.

Letztendlich geht es darum, Technologie als Werkzeug zu begreifen, das menschliche Expertise nicht ersetzt, sondern erweitert. Die erfolgreiche Anwendung von KI beginnt daher nicht mit der Frage nach dem richtigen Algorithmus, sondern mit einem tiefen Verständnis für den Menschen und sein Umfeld sowie dem Erkennen eines sinnvollen Use Cases. Wir sind überzeugt, dass in dieser Haltung der Schlüssel zu nachhaltig wertvollen Kundenbeziehungen liegt und sind gespannt auf die technischen Möglichkeiten, die uns in Zukunft dabei helfen werden.

Zentrale Begriffe

Synthetischer Nutzer (Synthetic User)

Ein aus einem Large Language Model (LLM) generiertes Profil, welches, das Verhalten einer Nutzergruppe nachahmt.

Digitaler Zwilling (Digital Twin)

Ein KI-Modell einer spezifischen Person(a), das aus umfangreichen, individuellen Daten (z. B. Interview-Transkripte, Marktbeobachtungen, Nutzungsdaten, Kaufentscheide, quantitative Erhebungen, Tagebuchstudien) entsteht und trainiert wird, um deren Verhalten und Antworten in Zukunft zu simulieren.

Retrieval-Augmented Generation (RAG)

Eine Methode, bei der eine KI zur Beantwortung einer Frage auf eine externe Wissensdatenbank – wie zum Beispiel eine Kundenbedürfnis-Bibliothek – zugreift. Dies ermöglicht der KI, spezifische und kontextbezogene Antworten zu geben, anstatt nur auf ihr allgemeines Trainingswissen oder auf KI-generierte Nutzerprofile zurückzugreifen.

Kundenbedürfnis-Bibliothek

Eine Datenbank, in der echtes menschliches Verhalten aus hunderten Untersuchungen von Kunden und Kundinnen dokumentiert und strukturiert wird. Sie dient als Basis für die Skalierung und Bereitstellung von Kundenwissen für die gesamte Organisation.

Chancen und Grenzen bei der Anwendung synthetischer Nutzern

Ganz am Anfang einer Kundeninitiative, wenn das Feld noch weit und offen ist, können synthetische Nutzer wertvolle Dienste leisten. Gespeist mit allgemeinen Daten und Nutzungsdaten, eignen sie sich gut, um erste Hypothesen zu generieren, den Einfluss relevanter Trends auf das Nutzungsverhalten einzuschätzen und mögliche Lösungsideen zu skizzieren.

In dieser frühen Phase empfehlen wir bei Stimmt fakultativ die Anreicherung der synthetischen Nutzer mit den Stimmt-Verhaltensfaktoren, die wir auf Basis der Self-Determination Theory entwickelt haben. Durch diese Verzahnung können grundlegende menschliche Antriebe in einer spezifischen Branche stärker berücksichtigt werden und die generierten Ergebnisse werden mit echten Kundendaten abgeglichen, wodurch sich die Qualität der Resultate im Vergleich zu rein synthetischer Nutzer deutlich erhöht.

Um Lösungen zu konkretisieren, detaillierte Anforderungen an das Kundenerlebnis und die Organisation abzuleiten und schliesslich strategische (Investitions-)Entscheidungen zu treffen, reichen synthetische Nutzer aber (noch) nicht, da sie in unserem Alltag gewisse Einschränkungen mit sich bringen.

  • Realitätsfernes Feedback: Die Antworten, z.B. bei Prototypen-Testing, sind oft oberflächlich oder übertrieben positiv. KI-Chatbots neigen dazu, gefallen zu wollen (ein als „Sycophancy“ bekanntes Phänomen).
  • Fehlende Nuancen und Emotionen: Die Meinungen synthetischer Nutzer zeigen signifikant weniger Meinungsvielfalt als die von echten Menschen. Die wichtigen Nischen und Extrempositionen gehen verloren, was in durchschnittlichen Bedürfnissen und konsequenterweise in nur durchschnittlich attraktiven Lösungsvorschlägen mündet.
  • Fehlende ökonomische und historische Daten: Für eine strategische Entscheidung sind weitere Informationen über einzelne und reale Kunden und Kundinnen unerlässlich. Dazu gehören unter anderem Dimensionen, die das zukünftige Potenzial beschreiben (z. B. Cross- und Upselling-Potenzial, weitere Produkte bei anderen Anbietern), das Mengengerüst im eigenen Kundenstamm und bei der Konkurrenz, sowie nicht-öffentliche historische Daten wie z.B. Sonderkonditionen, Kundenhistorie und aktueller Deckungsbeitrag.

Die unersetzbare Dimension: Echtes Kundenwissen

Der wahre Wert von KI entfaltet sich, wenn sie auf einem Fundament aus reichaltigem, qualitativem und quantitativem Kundenwissen aufbaut. Selbst der beste Digitale Zwilling ist ja nur eine Reflektion der Daten, mit denen er trainiert wurde. Die wirklich entscheidenden Nuancen, die das Kundenverhalten prägen, kann eine Maschine noch nicht allein erfassen. Sie müssen durch menschliche Interaktion gewonnen werden.

Dazu gehören:

  • Nonverbale Signale: Die Tonalität der Stimme oder die Mimik in einem persönlichen Gespräch verraten oft mehr als tausend Worte.
  • Unbewusstes Verhalten: Durch Beobachtungen in realen Nutzungssituationen oder Tagebuchstudien werden Verhaltensmuster, Voreingenommenheiten und „Workarounds“ erkennbar, die den Kunden und Kundinnen selbst nicht bewusst sind.
  • Geprägter Kontext: Das soziale Umfeld, vergangene Erfahrungen mit anderen Anbietern und persönliche Limitationen (wie Budget oder Sprachkenntnisse) formen die Erwartungen und Entscheidungen einer Kundin massgeblich.

Der Aufbau dieses tiefen Verständnisses für echtes Kundenverhalten sowie ein detailliertes Bild der zugrundeliegenden Emotionen, Motive und Bedürfnisse bei Kunden und Kundinnen (siehe zum Beispiel die Geneva Emotion Wheel unten) ist die Voraussetzung, um KI nicht nur als Echo der Vergangenheit, sondern als präzises Prognoseinstrument für das zukünftige Kundenverhalten zu nutzen.

Aus diesem Grund sind die beschriebenen Stimmt-Verhaltensfaktoren auch nicht synthetisch oder mit KI entstanden. Sie sind das Ergebnis einer Analyse von mehr als tausend Stunden Kundeninterviews und dutzenden quantitativen Studien. Jede einzelne dieser Datenpunkte hat uns ein tieferes Verständnis für die Komplexität menschlichen Verhaltens geliefert.

Geneva Emotion Wheel, siehe Scherer, 2005; Scherer, Fontaine, Sacharin, & Soriano, 2013.

Drei Anwendungsfelder aus unserer Praxis

Als Expertenorganisation ist es unser Ziel, die jahrelange Erfahrung beim Auf- und Ausbau wertvoller Kundenbeziehungen mit den neuesten technologischen Möglichkeiten zu verzahnen. KI wird dabei von uns nicht als Ersatz für Kundenforschung und menschliches Verständnis, sondern als «Skalierungshebel und effiziente Werkbank» eingesetzt. Die folgenden Anwendungsfelder geben einen kurzen Einblick in unsere Praxis.

 

Bestehende Interviewdaten effizient nutzen: Zusatzwissen ohne erneute Befragung

Ausgangslage

Es existieren Dutzende Stunden an wertvollen, aber unstrukturierten Interviewdaten. Nun tauchen neue, dringende Fragen auf, doch eine erneute Befragung derselben Kunden ist nicht möglich oder gewünscht.

KI-Anwendung

Die bestehenden Transkripte werden als Wissensdatenbank für ein KI-Modell (RAG) genutzt. Das Modell kann die neuen Fragen für jeden einzelnen interviewten Kunden beantworten. So lassen sich mit beeindruckender Genauigkeit neue Erkenntnisse aus vorhandenem Wissen generieren.

Beispiel

Eine Bank hat Mühe, Studenten nach dem Studienabschluss zu halten: Die Konversionsrate vom kostenlosen Studentenkonto zu einem bezahlten Modell ist nicht zufriedenstellend, da Berufseinsteiger von Konkurrenten umworben und gewonnen werden. Es liegen Daten aus Fokusgruppen, Tagebuchstudien sowie Tiefeninterviews vor, dir vor einigen Jahren mit Berufseinsteigern durchgeführt wurden.

Mit dem Ziel zu verstehen, was junge Berufseinsteiger mit Tertiärabschluss wirklich brauchen, um ein attraktives, kostenpflichtiges Paket zu schnüren. Die KI analysiert alle vorhandenen Informationen aus vergangenen Studien und beantwortet die Fragen des Produktmanagements nach den konkreten Bedürfnissen und Kündigungsgründen der Absolventen.

Als Resultat entwickelt die Bank ein passgenaues «Berufseinsteiger-Paket», wodurch die langfristige Abwanderungsquote signifikant reduziert wird, die während dem Studium getätigten Innovationen monetarisierst und schliesslich die Beziehung in diesem Zukunftssegment.

 

Bedürfnisbasierte Kundensegmentierung: Mit Telefon Transkripten und E-Mails

Ausgangslage

Es liegen Transkripte von Telefongesprächen und E-Mails einer relevanten Kundengruppe, einschliesslich Konkurrenzkunden, vor. Da bisherige Massnahmen zur Gewinnung und zum Ausbau dieses Segments nicht erfolgreich genug waren, ist das Ziel, die Kunden bedürfnisbasiert anzusprechen, um die Konversion messbar zu erhöhen.

KI-Anwendung

Gemeinsam mit der Hochschule Luzern haben wir ein prädiktives KI-Modell entwickelt, das geschriebene und gesprochene Sprache auswertet und jedes Individuum einer Bedürfnisgruppe zuordnet – aktuell mit einer Trefferquote von über 70 %. Tendenz steigend! In Verbindung mit der Stimmt-Kundenbedürfnis-Bibliothek ermöglicht dieses Modell, messbar erfolgreichere Kampagnen die optimal auf die spezifischen Bedürfnisgruppen ausgerichtet sind.

Beispiel

Eine Krankenversicherung möchte den Verkauf der Zusatzversicherungen steigern: Bisherige Marketingkampagnen zeigen nur mässigen Erfolg. Der Versicherung liegen Tausende von Anruf-Transkripten und E-Mails aus dem Outbound-Center vor – sowohl von Bestandskunden als auch von Interessenten, die sich für eine Offerte interessierten, aber nicht abgeschlossen haben.

Das Ziel ist es, die Kunden in Zukunft nach ihren tatsächlichen Bedürfnissen und Motiven anzusprechen, um die Abschlussrate zu erhöhen.

Das Resultat sind drei massgeschneiderte Kampagnen (anstelle einer generischen) mit konkreten Leads aus dem DWH. Gruppe A erhält Werbung mit dem Fokus auf Kieferorthopädie für Kinder über eine orchestrierte Aktivierungskampagne, Gruppe B und C werden mit anderen Kernbotschaften angesprochen. Der Erfolg ist eine deutlich höhere Konversionsrate bei Zusatzversicherungen.

 

Kundenwissen intern zur Verfügung stellen: KI als Brücke zu den Mitarbeitenden

Ausgangslage

Das Wissen über Kundenbedürfnisse bleibt oft in Berichten und bei wenigen Experten hängen und erreicht nicht die tägliche Arbeit der Mitarbeitenden und schon gar nicht die Top-Entscheider:innen.

KI-Anwendung

Kunden werden erlebbar und zugänglich gemacht. Ein interner Chatbot, der auf echten Kundendaten trainiert ist, kann von Mitarbeitenden zu Kundenbedürfnissen befragt werden. Protokolle aus Entscheidungsmeetings werden aus Kundensicht analysiert und die Entscheider erhalten im Nachgang eine Mail mit der Kundenrückmeldung. Alternativ können künstliche Kundenvideos erstellt werden, die reale Probleme authentisch schildern und so die Basis für eine echte Verhaltensänderung legen. Kurz: Die Möglichkeiten zur Verankerung sind sehr vielfältig, daher haben wir einen Katalog KI basierten Verankerungs- und Sensibilisierungsmassnahmen entwickelt.

Beispiel

Bei einem Sachversicherer ist detailliertes Kundenwissen nur bei wenigen Experten verfügbar: Die Erkenntnisse aus Risikoanalysen oder Schadensfällen erreichen den Vertrieb oder die Produktentwicklung nicht. Das Ziel ist es, dass wertvolles Wissen über die Bedürfnisse von Firmenkunden im ganzen Unternehmen einfach und direkt zugänglich machen. Ein interner KI-Chatbot, der auf allen internen Dokumenten trainiert ist, beantwortet Mitarbeitenden spezifische Fragen, z.B. zu den grössten Cyber-Ängsten einer bestimmten Branche. Das Resultat stellt sicher, dass Produktentwicklung und Vertrieb ihre Arbeit direkt auf echte Kundenbedürfnisse ausrichten können, was zu besseren Policen und relevanteren Verkaufsgesprächen bzw. mehr Abschlüssen und Cross- und Upselling führt.

 

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Dann zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren sandro.ruberti@stimmt.ch

Quellen

Instructions for measuring emotions with the Geneva Emotion Wheel. Swiss Center for Affective Sciences, Geneva (2013).

Budiu, Raluca. (15. August 2025). “Evaluating AI-Simulated Behavior: Insights from Three Studies on Digital Twins and Synthetic Users.” Nielsen Norman Group.

Budiu, Raluca. (1. August 2025). “Digital Twins: Simulating Humans with Generative AI.” Nielsen Norman Group.

Kim, Junsol, and Byungkyu Lee. (2024). “AI-Augmented Surveys: Leveraging Large Language Models and Surveys for Opinion Prediction.” arxiv.org.

Park, Joon Sung, et al. (2024). “Generative Agent Simulations of 1,000 People.” arxiv.org.

Rosala, Maria, and Kate Moran. (21. Juni 2024). “Synthetic Users: If, When, and How to Use AI-Generated ‘Research’.” Nielsen Norman Group.

Stimmt-Engagements, Publikationen und Vorlesungen, Stimmt AG (2023–2025).

 

 

Autoren: Sandro Ruberti, Dr. Stefan Leuthold, Carine Andrey Marek, Glenn Oberholzer

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